Werner Jacob
Biografie
Werke
1. Musiktheater
2. Vokalmusik
3. Instrumentalmusik
Informationen

3. Instrumentalmusik

Quartett (1960)

für Oboe, Klarinette, Horn und Fagott

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag des Freiburger Bläserquartetts

UA: 1960, Freiburg

Freiburger Bläserquartett

 

Werner Jacobs „Quartett 1960“ entstand noch während seiner Studienzeit bei Carl Ueter (einem Schüler von Franz Schreker) also vor seinem Kompositionsstudium bei Wolfgang Fortner; er bezeichnete dieses Quartett als sein Opus 1. Bereits hier arbeitet er, wie auch später gerne, mit Modi, die bis zur Zwölftönigkeit ausgeweitet werden. Der erste Satz, ein Adagio cantabile, ist in A-B-A-Form mit kontrapunktischer Faktur geschrieben. Der zweite Satz, ein burleskes Vivace, basiert auf einer ostinaten rhythmischen Figur, über der drei verschiedene Linien variiert werden, die zwar alle aus demselben Modus gewonnen sind, aber melodisch kontrastieren. In der Mitte des Quartetts steht ein Intermezzo-Rezitativ, das subito attacca in eine Toccata mündet. Der Finalsatz ist eine Choralbearbeitung über den Choral der Böhmischen Brüder: „Es geht einher des Tages Schein“.

 

 Fantasie, Adagio und Epilog (1963)

für Orgel

V: Breitkopf & Härtel

UA: 1963, Freiburg, Südwestfunk (SWF)

Werner Jacob, Orgel

 

Das Stück entstand 1963, während Jacob noch bei Wolfgang Fortner Komposition studierte. So stellt es denn auch eine Auseinandersetzung mit Fortners Drei Intermezzi aus der Pfingstgeschichte dar. Die Komposition ist in Reihentechnik geschrieben, und gleich zu Beginn der „Fantasia“ wird die zugrunde liegende Reihe in drei verschiedenen Erscheinungsformen während der ersten drei Takte in Fortissimo-Blöcken vorgestellt. Dieser Quasi-Tutti-Block erscheint im weiteren Verlauf noch vier Mal in variierter Form. Zwischen diese Blöcke sind jeweils verschiedene Kanonbildungen eingebettet. Eine Quasi-Pedal-Improvisation in Takt 64 stellt eine Reihenpermutation dar. Eine Quasi-Tremolo-Coda beschließt den Satz.

 

Der zweite Satz „Adagio“ ist ein auf drei Stimmen aufgelöster zweistimmiger Kanon; die fixierten Klangsäulen wechseln jeweils nach den Pianissimo-Takten. Der „Epilog“ nimmt die Anfangsidee der Fantasie wieder auf: Er bringt einen Kanon, zentralisiert um den Cantus-firmus-Anfang „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ in den Takten 3 bis 11. Ab Takt 12 folgt ein auskomponiertes Accelerando bis zum Coda-artigen Wiederaufgreifen der Anfangstakte. Der eigentliche Epilog beginnt erst nach einer Generalpause bei Takt 34. Er bringt nochmals die Reihe, in der Vertikalen zusammengezogen zu einem Zwölfton-Akkord, und löst ihn auf bis zum „niente“ - ins unhörbare „Nichts“.

Werner Jacob

 

Serenata a tre (1963)

für Flöte, Englisch Horn und Fagott

Manuskript

UA: 2. März 1964, Nürnberg

Gerhard Wiesner, Flöte; Reinhard Swora, Englisch Horn; Manfred Hartenstein, Fagott

  

Komposition 5/7 (1965/69)

5 Strukturen für 7 Soloinstrumente: Flöte (Piccoloflöte), Bassklarinette, Trompete, Posaune, Violine, Viola und Kontrabass

V: Breitkopf & Härtel

UA: 6. Juni 1969, Nürnberg

ars nova ensemble nürnberg; Leitung: Werner Heider

 

8'30" (1970)

für Gambe und Tonband

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag des Bayerischen Rundfunks – Studio Franken

Produktion: 23./30. November 1970, Studio Franken

Laurentius Strehl, Gambe; Werner Jacob, Tonbandrealisation

 Das Stück ist eine Radiophonie: das ist eine rundfunkspezifische Musik, die vorwiegend im Studio - mit allen entsprechenden Mitteln und technischen Raffinessen - pro­du­ziert und dann auch über Radio/Lautsprecher wiederge­geben wird.

 

 Improvisation sur E.B. (1970)

für Orgel

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag der Evangelischen Akademie Tutzing aus Anlass der Ernst-Bloch-Tagung

UA: 8. Mai 1971, Tutzing

Werner Jacob, Orgel

 Die Töne E.B. - Namens-Insignien des Philosophen Ernst Bloch - sind in ihrer Oktav-Verlagerung die Begrenzungstöne des ersten Teils, der sich durch - bei anlaufendem Motor - steigenden Winddruck aufbaut, langsam in interne Bewegung gerät, bis hin zu staccatierenden Gruppen, wieder zu seiner statischen Ausgangsform zurückkehrt und schließlich von innen nach außen zu seinen Begrenzungstönen abgebaut wird. Diese umklammern bei extremer Registrierung (16' - E und 1' - b'') den ganzen zweiten Abschnitt, der aus Tritonus-Akkord und -Figurik lebt, teils floskelhafte Beispiele anführt, die improvisierend weitergeführt werden bei vorgeschriebenen Registrierungsverläufen. Der dritte Abschnitt arbeitet mit Clusterfiguren über einer aus versetzten Tritoni bestehenden Pedalpassage, über die im Schlussteil als Coda ein Manual-Cluster geschichtet wird. Nach Erreichen des vollen Tutti wird bei abgeschaltetem Motor der Cluster bei abfallendem Winddruck in eine e-b-Tritonus-Schichtung aufgelöst.“

So beschreibt Werner Jacob selbst diese Komposition und nimmt damit eine alte Tradition wieder auf, nämlich Namens-Insignien zu vertonen. B-A- C-H sei erwähnt oder Schumanns A-S-C-H aus dem „Carneval“. Die zentrale Idee, um die Jacob das Stück konzentriert, ist Ernst Blochs Philosophie selber, die des NOCH NICHT, des aufrechten Ganges, die von Latenz und Tendenz.

Darum wählte Jacob auch als Motto folgenden Satz aus Blochs „Geist der Utopie“: „Musik ist eine Existenzart, die sich als geschehend erst bildet.“ „E.B.“ ist somit ein neues „Königliches Thema“ auf einen Mann, den Walter Jens in seiner Trauerrede am 9. August 1977 „König und Vater“ nannte. Wenn Paul Hindemith den Tritonus als den „zivilisierten Teufel im Tonsystem“ bezeichnete, so empfiehlt sich der Tritonus e - b in diesem Stück als beste Entsprechung zu Blochs Leben und Denken. Dass Ernst Bloch diese Komposition selber so empfand, zeigt die Widmung, die er nach der Uraufführung am 8. Mai 1971 in der Evangelischen Akademie Tutzing dem Komponisten in ein Exemplar von „Geist der Utopie“ schrieb: „Werner Jacob mit wirklich ergriffenem Dank für das unvorhergesehen, utopisch zu Hörende. Ernst Bloch“.

Susette Clausing

 

Drei Metamorphosen über Themen aus Max Regers op. 135b (1975)

für Orgel

I. Invocatio – alla introduzione

II. Meditatio – al basso ostinato

III. Conclusio – alla toccata

V: Breitkopf & Härtel

UA: 19. Oktober 1975, Nürnberg, St. Sebald

Werner Jacob, Orgel

Das Werk entstand aus einer Improvisation, die Werner Jacob im Konzert der Juroren des Haarlemer Internationalen Improvisationswettbewerbs 1975 spielte: er hatte die Aufgabe erhalten, über die Themen aus Regers op. 135 b zu improvisieren. Nach einem Tonband mit dem Mitschnitt dieser Improvisationen verdichtete er seine Improvisation zu dem hier vorliegenden Werk, das er anlässlich der Einweihung der neuen, nach seinen Maßgaben geschaffenen Peter-Orgel in St. Sebald in Nürnberg im Oktober 1975 uraufführte.

Der 1. Satz „Invocatio“ kombiniert sofort das thematische Material der Einleitung von Regers Fantasie (hier als verbreiterte Pedalfigur) mit dem Thema der 1. Fuge, wobei das elftönige Fugenthema sich addierend in der linken Hand zum Cluster verdichtet. Das kompositorische Material wird acceleriert und mündet in einen Fortissimo-Aufschrei der Orgel am Schluss dieser Introduktion.

Im 2. Satz „Meditatio“ wird die typisch Regersche Harmonik subsumiert und, in Tritonus-Schichtungen verdichtet, mit einem Pedal-Ostinato und einer ebenfalls aus dem 1. Fugenthema abgeleiteten, zur Zwölftönigkeit veränderten melodischen Linie der Oberstimme kombiniert ( = Metamorphose des thematischen Materials). Am Ende des Satzes erklingt als auskomponiertes Ritenuto wieder die Einleitungsfigur der Regerschen Fantasie.

Im 3. Satz „Conclusio“ werden beide Themen in Form einer Toccata behandelt. Die zusammengezogene Harmonik des Einleitungsmotivs der Fantasie wird Clusterakkorden in tremoloartigen Bewegungen gegenübergestellt und schließlich darin aufgelöst, woraus sich am Schluss als Zitat die originale Regersche Engführung der letzten Fugentakte herausschält. Nach dem vermeintlichen Schluss erklingt bei erniedrigtem Winddruck (= abgeschaltetem Motor) das Fantasie-Anfangszitat bis zum Erlöschen des Klanges.

Werner Jacob/Susette Clausing

 A sound returns (1978)

für Flöten und Tonband - in memoriam Paul Bösiger und Sebastian Kelber –

V: Breitkopf & Härtel

UA: 12. November 1979, Nürnberg, St. Sebald

Karl Schicker, Flöten; Werner Jacob, Realisation

 Diese Komposition für Flöten und Tonband ist gleichsam die Fortsetzung, der zweite Teil der „Musik der Trauer“: Die zwei Hauptinterpreten der Uraufführung der „Musik der Trauer“, der Schauspieler Paul Bösiger und der Flötist Sebastian Kelber fanden beide im Spätherbst 1977 kurz hintereinander den Tod. „...a sound returns...“ ist ein „Requiem“ auf diese beiden Freunde. Beide kommen im Tonband noch einmal mit einem Bandzitat „Wie ein Stein ist meine Trauer“ aus der „Musik der Trauer“ genau in der Mitte des Stückes zu Wort, genau an der Symmetrieachse des Werkes, im „Trauermarsch“, wo das Flötenzitat aus dem Scherzo der 9. Sinfonie von Beethoven in einen Klagegesang umgedeutet wird.

Das Klangmaterial des Tonbandes läuft genau 5 Minuten bis zur Symmetrieachse, dann folgt ein 10 Sekunden langes Ungaretti-Zitat, bis anschließend die Klänge des ersten Teiles in ihrer krebsgängigen Form weiterverarbeitet werden; der zu Anfang erklingende Accelerationskanon

z. B. der aus 44 übereinander geschichteten, aus der Tiefe aufsteigenden Flötenstimmen läuft zum Schluss real in sich zurück. Eine fallende große Sept, das typische Intervall der dem Werk zugrunde liegenden Reihe, beschließt als kurzer Epilog das Stück. Der Flötist, der neben der großen Flöte auch Pikkolo, Alt- und Bassflöte spielen muss, hat einen sehr virtuosen Part zu bewältigen mit allen speziellen Techniken der neuen Musik.

Werner Jacob

 Miraculum novum St. Sebaldi (1979)

für Orgel und Tonband

Manuskript

UA: 12. November 1979, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Werner Jacob, Orgel; Klaus Hashagen, Elektronik

Vom heiligen Sebaldus, dem Namenspatron von St. Sebald in Nürnberg, werden allerlei Wunder überliefert, darunter auch ein Wunder, bei dem sich Wasser in Wein verwandelte. Dieses Wunder wiederholte sich zum ersten Mal 1979 beim Sebalder Nachtkonzert (dem alljährlich von Werner Jacob gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk-Studio Franken veranstalteten Konzert für Neue Kirchenmusik). Nach der Uraufführung des kleinen „Miraculum novum St. Sebaldi“ floss plötzlich Wein für alle Konzertbesucher – ein Wunder, das auch in späteren Jahren immer wieder einmal stattfand.

Susette Clausing

 Ecce homo (1983)

Orgelmeditation zu der Bildfolge „Kreuzweg“ von Werner Knaupp

Manuskript

UA: 16. September 1983, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Werner Jacob, Orgel

 Die vierzehn Blätter „Kreuzweg“ sind eine Zusammenstellung von zwölf Kohlezeichnungen aus der Serie „Figurenzeichnungen NKH Bayreuth“ und zwei der gerissenen „Calcutta-Köpfe“. Werner Knaupp hat sich mit dieser Gruppierung und diesem Titel an das christliche Thema der 14 Kreuzwegstationen angelehnt, ohne damit einen Kreuzweg im wörtlichen Sinne geschaffen zu haben. Die Blätter stellen die 14 Leidensstationen Christi auf dem Weg zum Kreuz dar, so sollen sie auch nicht andere Motive modernisiert ersetzen. Sie sind eigenständige Bilder menschlichen Leidens ohne religiöse Ikonographie, die durch diese Zusammenfassung und durch die Anzahl 14 in einen assoziativen Bezug zur Thematik des Leidens Christi gebracht wurden.

Werner Jacob improvisiert dialogisierend zu dieser Bildsequenz, mit einer musikalischen Meditation die Aussage des bildenden Künstlers Knaupp ergänzend.

Susette Clausing

  

...sine nomine super nomina...I (1985)

Fantasia per organo, timpani ed altri stromenti a percussione

Adagio/Allegro agitato

Andante tranquillo

Vivace assai

V: Breitkopf & Härtel

UA: 15. November 1985, Kassel, St. Martin

Werner Jacob, Orgel; Siegfried Fink, Schlagzeug

 Werner Jacob schrieb immer wieder Stücke, die vorhergegangene Kompositionen nochmals aufgriffen und neue Schichten um diese Werke legten, sie neu fassten, sie gleichsam einem Kristallisationsprozess unterzogen. Dazu zählen die Werke „Sub cruce“ (als reines a-cappella-Stück) und „Sub cruce II“, eine von einem Kammerorchester umhüllte Version.

 Seine Komposition „…sine nomine super nomina…I“ schrieb Werner Jacob 1985 zum 20-jährigen Bestehen des Schlagzeug-Orgel-Duos Siegfried Fink/Werner Jacob, und er widmete das Stück seinem Partner Siegfried Fink. In der 1988 entstandenen Neufassung II treten sieben Holz- und Blechbläser dem bestehenden Kern-Part von Orgel und Schlagzeug mit eigenen kompositorischen Materialien ergänzend und kommentierend gegenüber und gehen eine neue Synthese ein. „…sine nomine super nomina…III“ schließlich verlangt neben Orgel und Schlagzeug ein Orchester.

 Jacob schrieb (wie der Titel sagt) ein Stück ohne Namen, aber über Namen: Seine Noten sind abgeleitet aus einer Reihe von Initialen, von Namens-Insignien der Freunde oder Komponisten, die Jacob besonders nahe standen, die mit ihm befreundet waren oder von denen er beeinflusst war.

 Das Stück ist dreisätzig: Einer Adagio-Einleitung folgt als erster Satz ein Allegro agitato, eine Fantasia, in der die Initialen von Siegfried Fink dominieren. Im zweiten, langsamen Satz in Form von Ostinato-Variationen (als Klammer wird das immer gleiche Akkord-Material benutzt, unterbrochen von horizontalen und vertikalen Einschüben) verwendet Werner Jacob die Buchstaben seines eigenen Namens. Im dritten Satz, einem Vivace assai (unterbrochen von einem Andante-Teil), werden dann beide Namen miteinander verbunden. Daneben hat Jacob aber auch noch weitere Komponisten wie Bach, Händel oder Bengt Hambraeus, überhaupt Komponisten, zu denen er eine engere Beziehung hat, in dem Stück versteckt. Das heißt: sie werden nicht katalogartig aufgeführt, aber Jacob benutzt ihre Initialen, teils transponiert, z.B. als „Umstellungsbrücken“. Letztlich ist das gesamte Stück aus Namensbuchstaben entwickelt - bis hin zu den modalen Reihen, die Jacob daraus gewinnt und in den verschiedensten Überlagerungen verwendet.

Susette Clausing

 

...sine nomine super nomina...II (1985/88)

Fantasia per organo, timpani, altri strumenti a percussione, flauto (anche flauto piccolo), oboe, clarinetto in B (anche clarinetto basso in B), 2 trombe in C e 2 tromboni

Adagio/Allegro agitato

Andante tranquillo

Vivace assai

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag des Museum of Art Cleveland

UA: 1988, Cleveland, Ohio (USA)

DE: 28. Mai 1989, Rottenburg, (Südwestfunk Tübingen – SWF)

Werner Jacob schrieb immer wieder Stücke, die vorhergegangene Kompositionen nochmals aufgriffen und neue Schichten um diese Werke legten, sie neu fassten, sie gleichsam einem Kristallisationsprozess unterzogen. Dazu zählen die Werke „Sub cruce“ (als reines a-cappella-Stück) und „Sub cruce II“, eine von einem Kammerorchester umhüllte Version.

 Seine Komposition „…sine nomine super nomina…I“ schrieb Werner Jacob 1985 zum 20-jährigen Bestehen des Schlagzeug-Orgel-Duos Siegfried Fink/Werner Jacob, und er widmete das Stück seinem Partner Siegfried Fink.

 In der 1988 entstandenen Neufassung II treten sieben Holz- und Blechbläser dem bestehenden Kern-Part von Orgel und Schlagzeug mit eigenen kompositorischen Materialien ergänzend und kommentierend gegenüber und gehen eine neue Synthese ein. „…sine nomine super nomina…III“ schließlich verlangt neben Orgel und Schlagzeug ein Orchester.

 Jacob schrieb (wie der Titel sagt) ein Stück ohne Namen, aber über Namen: Seine Noten sind abgeleitet aus einer Reihe von Initialen, von Namens-Insignien der Freunde oder Komponisten, die Jacob besonders nahe standen, die mit ihm befreundet waren oder von denen er beeinflusst war.

 Das Stück ist dreisätzig: Einer Adagio-Einleitung folgt als erster Satz ein Allegro agitato, eine Fantasia, in der die Initialen von Siegfried Fink dominieren. Der zweite Satz, Andante tranquillo-Adagio; in Form von Ostinato-Variationen (als Klammer wird das immer gleiche Akkord-Material benutzt, unterbrochen von horizontalen und vertikalen Einschüben) ist der „Werner Jacob-Satz“. Hier erscheinen auch die Insignien verschiedener Freunde (u. a. Klaus Hashagen). Im dritten Satz, einem Vivace assai, unterbrochen von einem Andante-Teil, werden dann die Namen kombiniert.

Susette Clausing

  

...sine nomine super nomina...III (1989)

concerto per organo, timpani, altri strumenti a percussione e orchestra

Adagio/Allegro agitato

Andante tranquillo

Vivace assai

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag des Süddeutschen Rundfunks (SDR) Stuttgart

UA: 22. März 1990, Stuttgart, Liederhalle

Ludger Lohmann, Orgel; Adel Shalaby, Schlagzeug; Sinfonieorchester des SDR Stuttgart; Leitung: Werner Andreas Albert

... sine nomine super nomina ... III“ (ohne Namen über Namen) ist das dritte Stück der sine-nomine-Werkgruppe: „ ... sine nomine super nomina ...I“ ist eine Fantasia für Orgel, Pauken und andere Schlagzeuginstrumente, „... sine nomine super nomina ...II“ (Cleveland Version) eine Fantasia für Orgel, Pauken, Schlagzeug und 7 Blasinstrumente und „... sine nomine super nomina ... III“ ein Concerto für Orgel, Pauken, Schlagzeug und Orchester, bei dem Namensinsignien von Komponisten und Freunden das Tonmaterial für die Komposition bilden. Das im Grunde dreisätzige Werk wird mit einem Adagio eingeleitet, dem direkt anschließend der eigentliche erste Satz Allegro agitato folgt. Ein zweiter, mit Andante tranquillo überschriebener Satz reiht variierend musikalische Episoden über das gleiche Tonmaterial aneinander und leitet mit einer virtuosen Pauken-Kadenz nahtlos in den dritten Satz Vivace assai über, bei dem alle Namensfiguren noch einmal miteinander kombiniert auftreten.

Werner Jacob

 Giuoco a tre (1992)

per clarinetto/clarinetto basso, viola e violoncello

V: Edition Gravis

UA: 21.06. 2002, Nürnberg, St. Sebald

Carus Ensemble Dresden: Fabian Dirr, Klarinette, Andreas Kuhlmann, Viola, Dagmar Spengler, Violoncello

 Die 1992 in der Toscana entstandene Komposition „Giuoco a tre” (in altitalienischer Schreibweise) – Spiel zu dritt – ist eine „omaggio dionisiaco al vino italiano” – eine Huldigung an den italienischen Wein, soll aber auch den spielerischen und in ihrem Charakter unterschiedlichen Einsatz der drei Instrumente und Spieler zum Ausdruck bringen.

 Im ersten Satz „Vivace Prosecco“ wird dem spritzigen, feinperligen Schaumwein aus der bodenständigen Prosecco-Rebe aus dem Veneto gehuldigt. Der zweite Satz „Adagio Brunello“ mit der dominierenden Bassklarinette ist eine Liebeserklärung an den vollmundigen „Brunello di Montalcino“ aus der südlichen Toskana. Die Satzbezeichnung „Presto Barbaresco“ des abschließenden dritten Satzes bringt dem feurigen und wuchtigen Bruder des Piemonteser Barolo, dem Barbaresco seine Ehrenbezeugung.

 Den drei Instrumentalisten wird in diesem Werk ein bis an die Grenzen der Spieltechnik gehendes Können abverlangt.

Werner Jacob

 

Voci nella notte (1992)

per orchestra

V: Edition Gravis

UA: 21. Mai 1995, Staatstheater Oldenburg

Oldenburgisches Staatsorchester; Leitung: Georg Schmöhe

 Das Werk entstand 1992 in der Toskana und ist vom Fluidum der Landschaft geprägt.

Voci nella notte“ – Stimmen in der Nacht; es sind Stimmen, Klänge und Geräusche, die von außen auf uns einwirken, aber auch von innen kommen – sozusagen das Psychogramm einer Nacht in sieben „Klangbildern“: einer „serenata“, die das Ende des Tages markiert, vier „notturni“ („Nachtstücke“), dazwischen eine „canzonetta“ und ein „intermezzo infernale“, endend mit einer „matutin“, der ersten Hore (1. Stundengebet der Mönche), die das Ende der Nacht anzeigt, den Anbruch eines neuen Tages feiert.

 Das musikalische Grundmaterial dieser Komposition bildet ein 9-töniger Modus mit seiner Umkehrung in allen Transpositionsstufen. Der Grundmodus spart einen moll-Akkord, seine Umkehrung einen Dur-Akkord aus; diese werden dann im ersten Satz der Gitarre zugeordnet. (Modi sind 8- und mehrtönige Reihen/Skalen, die über unsere traditionellen 7-tönigen dur- oder molltonalen bzw. kirchentonalen Tonleitern hinausgehen und innerhalb des 12-stufigen chromatischen Raumes angesiedelt sind.)

 Sowohl in der „serenata“ wie auch in der „matutin“ werden gregorianische cantus firmi (in der „serenata“ der Vesper-Hymnus „Ave maris stella“, in der „matutin“ der Hymnus für die Prim „Iam lucis orto sidere“) in diesem Modus eingebettet. In der „serenata“ treffen nach einer kurzen Einleitung folkloristische Elemente, Zitate herkömmlicher Formen (gregorianische Hymnen, Siciliano und andere Tänze) in polyrhythmischer Schichtung quasi kollagiert auf verschiedene Taktarten: 4/4 -, 3/4 -, 12/8 - und 7/8 -Takte sind übereinandergeschichtet.

 Im Adagio des „notturno primo“ sind es Geräusche und Klänge vor allem des reich besetzten Schlagzeuges und melodische Floskeln von 3 Holz- und 4 Blechblasintrumenten, die uns umgeben.

 Das „notturno secondo“ (Andante) wendet sich mit den strengen Kanons der bis zu 13-fach geteilten Streicher, dem akkordlich rhythmischen Klangband der vorwiegend sordinierten Blechbläser, den klanglichen Aphorismen von Flöte, Altflöte, Englisch Horn und Klarinette sowie dem Harfe/Vibrafon-Kolorit von der geräuschhaften mehr der klanglichen Seite zu.

Die „canzonetta“ wird zunächst von 5 Solo-Streichern und 5 Holzbläsern (zu den vorigen tritt noch die Bassklarinette hinzu) intoniert - von Vibrafon, Celesta und Gitarre begleitet -, zitiert dann Fragmente des Brahmsschen „In stiller Nacht“, bevor sie dann direkt in das

notturno terzo“ überleitet. Dieses Nachtstück mit dem gesamten Orchester, welches sich dynamisch vorwiegend im pp- und ppp-Bereich bewegt, schließt mit einer quasi choralartigen Coda.

 Subito attacca folgt das „intermezzo infernale“. Hier finden wir die Atmosphäre des Albtraums mit seinen qälenden Zerrbildern, seinen grellen Aufschreien, seinen glissandierenden Klangräuschen und den rhythmisch aufpeitschenden Attacken vorwiegend der Blechbläser und des Schlagzeugs, die dann allmählich wieder zur Ruhe kommen, verschwinden. Im „notturno quattro“ werden die ersten drei „Nachtstücke“ quasi nochmals zusammengefasst: mit wechselnden Instrumentengruppen und verschiedenen Farbschichtungen wird die nächtliche Atmosphäre ein letztes Mal heraufbeschworen.

 Nach diesen dunklen nächtlichen Visionen führt uns die „matutin“, die Hora prima des kommenden Tages, mit einem Violin-Solo und dem Zitat des Hymnus „Iam lucis orto sidere“ wieder zur Lichtseite des Tages zurück und blendet sich in einer 8-taktigen ins „niente“ führenden Coda aus.

 Die Komposition soll nicht Schilderung, sondern vielmehr Ausdruck von sinnlichen - oder auch übersinnlichen Empfindungen sein.

Werner Jacob

 Dazu aus einer Kritik, Prag April 2001, von Jan Amos Hrdlicka (Milan Zdrazil, Übersetzung):

 Das Aprilkonzert des Zyklus B des Symphonischen Orchesters der Hauptstadt Prag FOK

(2. und 3. 4.) zog das Publikum vor allem durch den Pianisten Garrick Ohlsson an.

Doch schon das den Abend einführende Orchesterwerk „Voci nella notte“ des bei uns praktisch unbekannten deutschen Komponisten Werner Jacob war von außerordentlichem Interesse.

 Das 1992 komponierte Werk nimmt fast 30 Minuten in Anspruch, und seine sieben Sätze sind mit Ausnahme des fünften, der die Vorstellung eines peinigenden Albtraums evociert, auf niederer dynamischer Ebene in dichter Instrumentation im quasi permanenten orchestralen Tutti gehalten. Ein sehr eigenständiges, wertvolles Werk, dem in der Flut der modernen Musik Aufmerksamkeit gebührt. Es stellt sehr hohe Ansprüche an die Durchführung, nicht nur in seiner komplizierten Polyrhythmie, auch in rein instrumental schwierigen Partien.

 Der Dirigent des Abends, Werner Andreas Albert, verstand es, das Orchester zu einer hervorragenden Leistung zu inspirieren und die klangliche Ausgewogenheit in der dynamischen Zurückgezogenheit perfekt zu halten. Ich bewunderte den klaren Klang der gedämpften Bleche, die in dieser Komposition stark exponiert sind.

  

Cinque Pezzi per Organo (1993)

Fantasia

Molto calmo

Andante/Allegro scherzando

Adagio cantabile

Allegro con fuoco

V: Edition Gravis

UA: 1995, Zürich (Schweiz)

Ludger Lohmann, Orgel

DE: 18. Juli 1995, Freiburg i.Br., Münster

Ludger Lohmann, Orgel

Die „Fünf Stücke für Orgel“ schrieb Werner Jacob im August/September 1993 in der Toscana; gewidmet hat er sie seinem Freund und Kollegen Ludger Lohmann zum 40. Geburtstag. Ähnlich, wie der Komponist und Organist Bengt Hambraeus in seinem „Livre d’orgue“ alte französische Satz- und Registrierungstypen mit seiner eigenen Tonsprache verschmilzt, hat Jacob sich hier durch die italienische Umgebung anregen lassen und Satztypen alter italienischer Orgelmusik (vor allem von Frescobaldi, Rossi und Pasquini) zum Vorbild genommen.

Er hat sie dann mit seiner Schreibweise und mit den von ihm bevorzugt verwendeten Konstruktionsprinzipien verbunden: Modi und bestimmte Zahlenproportionen dienen als Ausgangsmaterialien. So ist der 1. Satz zum Beispiel in seiner Form einer Fantasia, der 2. in seinem Gestus einer Toccata per l’Elevazione, der 3. einem Capriccio, der 4. einer Canzona al Ricercare und der 5. einer Toccata mit partitenmäßig eingestreuten Siciliano-Teilen nachgebildet. Die in den Sätzen verwendeten Modi sind untereinander eng verwandt. Die Zahlenproportionen hat Jacob dem sehr persönlichen, privaten Umfeld des Widmungsträgers entnommen.

Werner Jacob

 

quasi una cadenza… (1995)

per organo e orchestra

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag der Siemens AG zur 100-Jahrfeier der Gründung der Siemens Niederlassung Nürnberg

UA: 29. April 1996, Nürnberg, Meistersingerhalle

Andreas Jacob, Orgel; Nürnberger Symphoniker; Leitung: Petr Altrichter

 Die Aufgabenstellung für mein sozusagen 2. Orgelkonzert war unter anderem, der Orgel improvisatorische Teile anzuvertrauen: eine schwierige Aufgabe und Herausforderung zugleich, da die Orgel eigentlich nur solistisch im Rahmen der Liturgie oder im Konzert improvisiert und nicht wie im Jazz in die Gruppenimprovisation eingebunden ist. In „quasi una cadenza“ wird die Akkordlichkeit des Sinfonieorchesters rhythmisch oder auch klangfarblich durch feste Tonhöhenbindungen der Orgel sekundiert. Der Versuch einer hier notwendigen klanglichen Subsumierung bei der Improvisation wird im zweiten Satz „molto calmo“ unternommen. Das gesamte Werk wird mit einer Fantasia eröffnet: Die Orgel und die Pauken stellen das Thema mit den Tönen (E)S E E (E)S A G vor, das aus den Buchstaben des Namens „Siemens AG“ gewonnen wurde. Das Thema wird vom gesamten Orchester aufgenommen und weiter verarbeitet.

 Nach dieser Einleitung folgt in mehreren fugatoartig durchgeführten Teilen der in Concerto-Form geschriebene erste Satz einschließlich einer großen ausgeschriebenen Kadenz der Orgel. Nach einer quasi improvisatorischen Vorstellung verschiedener Schlagwerksinstrumente (Gongs, Tamtam, Vibraphon, Dobaci und Pauken) beginnen die Violinen die 28-taktige fixierte Orchestereinleitung des zweiten Satzes. Danach improvisieren die Orgel und verschiedene Orchestergruppen etwa drei Minuten lang mit einem jeweils genau festgelegten Tonmaterial in einem vorgeschriebenen Gestus über quasi ostinat verlaufende rhythmisch und tonhöhenmäßig exakt auskomponierte Floskeln. Dies mündet in den Abgesang der Orgel mit Coda, ein „...quasi una cadenza...“ des gesamten Orchesters.

 Nach einer kurzen Klarinetten-Einleitung wird im abschließenden dritten Satz „Allegro agitato“ das rhythmische und melodische Material des ersten Satzes wieder aufgenommen und weitergetrieben in Variationen mit variablen Metren, immer wieder durch konzertierende Couplet-Intermezzi der Orgel und verschiedener Soloinstrumente unterbrochen. Nach einer Orgel-Schlagzeug-Kadenz beendet das Orchester in einem prägnanten Epilog das Werk.

Werner Jacob

 

Concerto Alberti (1995/96)

für großes Orchester

V: Edition Gravis

Werk zum 60. Geburtstag des Dirigenten Werner Andreas Albert. Unaufgeführt.

 

Suscipe verbum (1996)

für Horn und Orgel

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag des Kultusministeriums Baden-Württemberg aus Anlass der 850-Jahrfeier des Klosters Maulbronn

UA: 27. Juli 1997, Kloster Maulbronn

Erika Krauter-Budday, Orgel; Joachim Bänsch, Horn

Das Werk wurde auf Anregung von Erika Krautter-Budday und Joachim Bänsch aus Anlass der 850-Jahrfeier des Klosters Maulbronn im Sommer 1996 geschrieben.

Einem alten zisterziensischen Brauch folgend schrieben auch die Mönche des Zisterzienserklosters Maulbronn zur Neugründung des nächsten Zisterzienserklosters die für die klösterliche Liturgie notwendigen Bücher - in diesem Falle ein Antiphonale für die Neugründung der Zisterzienserinnenabtei in Lichtenthal bei Baden-Baden. Aus diesem „Maulbronn-Lichtenthaler Antiphonale” von 1249 wurde das IV. Responsorium „Suscipe verbum Virgo Maria” aus der „Primo Nocturno in Festo Annuntiationis Beatae Mariae Viriginis” der Komposition zugrunde gelegt. Der Cantus firmus wurde in wörtlichen Zitaten, auf verschiedenen Transpositionsstufen, in Perforationen, Augmentationen und Diminutionen sowie als Grundelement der verschiedenen Modusbildungen innerhalb der chromatischen Totale verwendet.

Der Inhalt des IV. Responsoriums nach der Lectio IV der Prim (Jesaja 35, Vers 4-6) bestimmt den Charakter der dreisätzigen Komposition in Concerto-Form. Der erste Satz „Andante con moto“ bringt nach einem Introduktionsteil die erste Durchführung im Duett der beiden Instrumente Horn und Orgel in ihren jeweilig instrumententypischen Darstellungsmöglichkeiten; dann folgen ein kurzes Orgelintermezzo und die zweite Durchführungsgruppe. Anschließend erscheinen in der Orgel intervallische Umkehrungen des Satzanfangs, die direkt in eine Coda überleiten, bei der das Horn den Allelujah-Schluss des ersten Responsoriumteils zitiert. Im zweiten Satz „Molto calmo, quasi recitativo“ wird gleichsam in einer Meditation das Cantus firmus-Material vorgestellt und variationsartig weiter verarbeitet. Entsprechend dem Gebetstext wird die Ausformung immer dichter und eindringlicher. Der dritte Satz „Allegro vivace“ nimmt Motive und Gestik des ersten Satzes wieder auf, entfernt sich aber zunächst mehr vom Cantus firmus-Material, um anschließend wieder streng am Cantus firmus-Material zu bleiben. Hinzu kommt ein Gemeindegesang-ähnlicher Teil in gespiegelter Intervallik zwischen Horn und Orgel (in hoher 2’-Registrierung) wie aus der Ferne. Die danach einsetzende Reprise mündet in einen ppp endenden Epilog.

 "Suscipe verbum” ist den Interpreten der Uraufführung Erika Krautter-Budday und Joachim Bänsch gewidmet.

Werner Jacob

  

Spuren - Monumentum E.B. (1997)

für großes Orchester

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag der Stadt Ludwigshafen

UA: 22. November 1997, Ludwigshafen, zur Verleihung des Ernst-Bloch-Preises an Pierre Bourdieu

Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Ludwigshafen; Leitung: Johannes Kalitzke

 Im Mai 1971 fand in der Evangelischen Akademie Tutzing eine Tagung über und mit Ernst Bloch statt. Da der Organisator und damalige Studienleiter der Akademie Pfarrer Klaus Röhring wusste, dass ich eine innere Beziehung zu den Werken Ernst Blochs hatte, dass ich besonders beeindruckt war von dem, was er in seinem „Geist der Utopie“ und in „Prinzip Hoffnung“ über Musik im allgemeinen, über Theorie der Musik, sowie über Musiker und ihre Werke schrieb, bat er mich, am Abend des 8. Mai 1971 in Anwesenheit Ernst Blochs in der Kapelle der Akademie ein Konzert zu geben. An den Schluss meines Orgelkonzertes stellte ich die Uraufführung eines von mir eigens für diesen Anlass geschriebenen Orgelwerkes „Improvisation sur e.b.“ - Ernst Bloch zu Ehren. Das Werk stellte ich unter ein Wort aus Blochs „Prinzip Hoffnung“ (S. 1281):

... Musik ist eine Existenzart, die sich als geschehend erst bildet ...“.

 Das Stück arbeitet mit Klangflächen in der strengen Begrenzung der Töne E (16' ) und b'' (1'), mit mikrotonalen Feldern, mit sich durch Winddruck auf- und abbauenden Tönen, Akkorden und Clustern in den verschiedensten Erscheinungsformen; das ganze ist als eine Folge von Variationen angelegt.

 Ernst Bloch schrieb mir in ein Exemplar seines Buches „Geist der Utopie“ eine Widmung:

Mai 1971, Werner Jacob mit wirklich ergriffenem Dank für das unvorhergesehen, utopisch zu Hörende. Ernst Bloch.“

 Den Titel des Orchesterwerkes „Spuren – Monumentum Ernst Bloch“ übernahm ich von dem gleichnamigen, beim Suhrkamp Verlag erschienenen Bändchen und stellte ihm auch dasselbe Motto voran, das Ernst Bloch seinen „Spuren“ gegeben hatte:

Wie nun? Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.“

 Schon das Fragezeichen des Zitat-Anfangs „Wie nun?“ und die darauffolgende Fixation des „Ich bin“ sind Ausgangspunkt der kompositorischen Entwicklung: Frage und Antwort „Aber ich habe mich nicht“ - als Feststellung und persönliche Zustandsbeschreibung mit der folgenden in die Zukunft weisenden Vision des „Darum werden wir erst“ weisen schon auf den weiteren Verlauf des kompositorischen Prozesses hin, wobei die Namensinsignien Ernst Blochs sowohl für das „Ich bin“, wie für das, in Ernst Blochs Leben bereits vollendete, „Darum werden wir erst“ Symbol sein können und damit zum Monumentum für uns werden.

Werner Jacob

  

Arché (2000)

Reflexionen für großes Orchester

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag zum 100-Jahr-Jubiläum des Stadttheaters Fürth

UA: 20. September 2002, Fürth, im Rahmen des Festaktes des Stadttheaters Fürth

Bamberger Symphoniker; Leitung: Jonathan Nott

 Die von Werner Jacob zur Uraufführung für die Hundertjahrfeier des Stadttheaters Fürth geschriebene Komposition baut thematisch auf dem jubelnden Fidelio-Motiv „Heil sei dem Tag, Heil sei der Stunde“ auf. Der Titel „Arché“ in seiner ursprünglichen Bedeutung von „Beginn“, „Bogen“, „Brücke“ impliziert sowohl eine Rückschau auf das Vergangene als auch ein Nach-Denken über das Zukünftige. Daraus folgen Dank und Lobgesang ebenso wie gemischte Empfindungen aus Ängsten, Hoffnungen und Besinnung. In den ersten drei Takten wird das thematische Material für das ganze Stück exponiert. Aus einer Schichtung von Tritonus, Halbton und Terz wird der Modus aufgebaut. In vierzig einleitenden Takten wird das thematische Material danach unter verschiedenen Aspekten vorgestellt und charakterisiert. Im darauf folgenden Vivace wird zunächst, aus dem Schlagwerk-Bereich herauswachsend, die rhythmische Grundstruktur und dann, nach 12 Takten, ein (das Anfangsthema variierendes) Fugato-Thema aufgebaut. Nach einem 10-taktigen Intermezzo folgen eine prägnante zweite thematische Bearbeitung durch die Horngruppe (die in der Folge mit dem Fugato-Thema konfrontiert wird) und (in Takt 99) die erste Durchführungsgruppe in dreifachem pianissimo.

 Ein kantables Adagio-Intermezzo weitet sich danach zu einem melodischen Klagegesang der
Holzbläser aus, der sich über eine eisige sul-ponticello Tremolo-Klangfläche der Streicher erhebt. Vage Gefühle, vielleicht von Ungewissheit und Angst, finden hier ihren musikalischen Ausdruck, der sich auflöst in einen Abgesang der Streicher mit Rückblenden auf den Hornsatz, diesmal auf sordinierte Trompeten und Hörner aufgeteilt. So werden Rückerinnerungen möglich an die dem glücklichen Fidelio-Finale vorausgegangenen Erlebnisse von Gefahr, Angst und Verzweiflung. Die Überleitung zur Passacaglia erfolgt in 32 Takten, in denen das bisher exponierte Material noch einmal gegeneinander gesetzt wird.

 Sechs Streichervariationen bilden das Lamentoso. Ein 8-taktiges Vivace scherzando mit fugiertem Material aus dem Passacaglien-Thema durchbricht als siebte Variation den Lamento-Charakter, den die achte Variation wieder aufnimmt. Die neunte Variation ist ganz den Holzbläsern vorbehalten, das Thema wechselt durch die einzelnen Instrumente. In der zehnten Variation wird in einem Wechselspiel zwischen Streichersoli, -tutti und Bläsern die Passacaglia fortgeführt, wobei sich in den kontrapunktischen Stimmen immer kompliziertere Kanon- und Spiegelkanonformen aus dem Grundthema ergeben. Mit einem choralartigen, 14-taktigen Intermezzo wird die Passacaglia ein weiteres Mal thematisch perforiert, ehe sie in einer (drei Variationen umfassenden) Schlussgruppe endet.

 Arché“ schließt in einem quasi-Epilog (24 Takte) in dreifachem pianissimo, wobei in den stillsten Schlusstakten noch einmal alle im Modus verwendeten Töne des Grundthemas vertikal übereinandergeschichtet werden. So wird „Arché“ am Ende zu einer Brücke, die im Unendlichen verschwindet - und die Gedanken dorthin weiterführen will. In den feierlichen D-Dur Jubel des beethovenschen Themas, das einen – partiellen, eher ideellen – Sieg über Gewalt feiert, mischt sich moderne Skepsis über das bisher in dieser Hinsicht Erreichte, noch zu Erreichende und überhaupt Erreichbare. Doch soll der stille Ausgang des Stückes nicht in die Depression führen, sondern in einem weiten Klangraum Platz für Nachdenklichkeit schaffen.

Werner Jacob, Barbara Bredow

 

Capriccio e Recercare sopra ... (2001)

für Orgel solo

V: Edition Gravis

UA: 6. Oktober 2001, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Andreas Jacob, Orgel

 Auch dieses Stück für Orgel wurde durch die italienische Orgelkunst angeregt. Auf mehreren Ebenen handelt es von musikalischer Tradition und zugleich von ihrer Brechung. Das beginnt mit dem Titel, der zwei imitative Typen altitalienischer Tastenmusik in ungewöhnlicher Reihung zusammenzwingt. Der Großmeister der italienischen Orgelkunst des Seicento, Girolamo Frescobaldi, wird mit dem Untertitel herbeizitiert: angelehnt an den Kommentar zur „Bergamasca“ aus der „Messa della Madonna“ in den „Fiori Musicali“ (wer dieses Stück spiele, würde nicht wenig dabei lernen) heißt es hier in abgewandelter Form: „Chi suonerà questo Capriccio non riconoscerà poco...“. Frescobaldis praktisch-didaktische Zielrichtung wird solcherart ins Reflektierend-Rezeptive gewendet. Dem gewählten Titel entspricht die Kleingliedrigkeit der formalen Anlage, die kontrapunktische Abschnitte mit freieren Episoden mischt und schließlich zu fugenartiger Satztechnik verdichtet wird. Ein Verdichtungsprozess hatte sich bereits vor diesem Schlussteil ereignet, als veritable Zitate der Orgelliteratur sich aus dem musikalischen Geschehen herauskristallisiert hatten, um durch Brechungs- und Verfremdungsmechanismen wieder ins Unbestimmte zu entgleiten. Dieses Moment bewusst und scherzhaft eingesetzter Unschärfe findet sich auch im zentralen Motiv des Werks, die den (für den barocken Komponisten wie seine späteren Verehrer) paradigmatisch gewordenen Namen Bachs durch Erweiterung um ein vorangestelltes As eine gänzlich andere Konnotation verleiht. Letztlich spiegelt sich auch in der Entstehungsgeschichte des Werks - einer Neukomposition auf Basis eines früheren Stücks – Jacobs Grundtendenz wider, vorgefundene Materialien neu zu bestimmen und dadurch neu zu interpretieren.

Andreas Jacob/Susette Clausing

  

Ritual I (2005)

für Orgel und 8 Schlagzeuger

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag der University of Arts Osaka

UA: 12. März 2005, University of Arts, Osaka

Andreas Jacob, Orgel; Percussionsensemble der University of Arts, Osaka; Leitung: Hikari Okuhara

DE: 15. Juli 2005, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Andreas Jacob, Orgel; Perkussionsensemble der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg

 Als „Ritual“ bezeichnet man ein Vorgehen nach festgelegter Ordnung. Dies betrifft den religiösen Ritus ebenso wie die standardisierten individuellen oder kollektiven Verhaltensweisen in anderen gesellschaftlichen Kontexten. So dienen Rituale zur Verhaltensstabilisierung in existentiellen Entscheidungssituationen. In diesem Sinne können auch musikalische Formen als Ritual verstanden werden. So lässt sich die fast wörtliche Wiederholung des Hauptthemas am Ende des ersten Satzes, der in seiner formalen Struktur dem Aufbau der Sonatenhauptsatzform entspricht, als eine Art Selbstvergewisserung nach episodenartigen Destabilisierungen in der variierten Durchführung des Haupt- und der Seitenthemen begreifen.

 Nach derartigen aufputschenden Momenten stellt der zweite Satz einen Akt innerer Sammlung dar, aus der sich allmählich größere melodische Bögen heraus kristallisieren.

 In vielen Ritualen wird der Tanz einbezogen. So löst sich auch hier im Schlusssatz die angestaute Spannung in einem vom Tanz geprägten motorischen Finale.

Susette Clausing

  

Symphonie des Malgré-nous (2005/06)

für großes Orchester (5. Satz unvollendet)

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag der Fondation Entente Franco-Allemand

Werner Jacob: Gedanken über das Orchesterwerk „Symphonie Malgré-nous“:
Die freundschaftliche Entwicklung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Frankreich nach 1945 kann als einer der größten Erfolge eines humanistisch motivierten Politikansatzes bezeichnet werden:

Zwei große Völker in der Mitte Europas, die über Jahrhunderte einer angeblichen „Erbfeindschaft“ verfallen waren, fanden nach den Gräueln zweier Weltkriege zu einer echten Aussöhnung. Stellte bereits das deutsche Nationaldrama, Goethes „Faust“, apodiktisch fest: „Der deutsche Mann mag keine Franzen leiden“ (der genussfrohe und kosmopolitische Dichter fährt dann bezeichnenderweise fort: „doch seine Weine trinkt er gern!“), so ist die integrierende Zusammenarbeit der beiden Nationen in der Europäischen Union mittlerweile eine politische Konstante, die vielen Zeitgenossen geradezu selbstverständlich erscheint. Sechzig Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, nach dem Gegeneinander der Kriege, die Millionen von Opfern forderten, erfolgte nun ein freundschaftliches Zusammengehen der ehemaligen Kontrahenten. Politische Visionäre wie Robert Schumann, Charles de Gaulle und Konrad Adenauer haben sich mit der Verwirklichung dieses Projektes ein unschätzbares Verdienst in der Geschichte erworben.

Meine ersten persönlichen Erfahrungen mit der benachbarten Nation liegen 50 Jahre zurück. Als ich 1956, aus Thüringen kommend, in Freiburg/Br. mein Studium aufnahm, galt mein erster Auslandsbesuch überhaupt dem Elsass, wo ich die Orgeln der Orgelbauer Andreas und Johann Andreas Silbermann kennen lernen durfte. Die künstlerische Vita der Silbermann-Dynastie ist ihrerseits geeignet, eine kreative Verknüpfung unterschiedlicher Kulturen zu demonstrieren: Herkommend aus der mitteldeutschen Tradition, die in meiner Heimat von Gottfried Silbermann weiter gepflegt worden war, verbanden die „Elsässer Silbermanns“ diese mit der klassischen französischen Tradition des Orgelbaus.

Bei diesen Fahrten konnte ich Land und Leute kennen lernen und Freundschaften knüpfen, wodurch dieser Landstrich an einer der Verwerfungslinien Europas für mich zu einer zweiten Heimat wurde. Die Begegnung mit bezeichnenden Einzelschicksalen, mit Menschen, die im Laufe ihres Lebens die Staatsbürgerschaft gewechselt hatten, machte auf mich einen starken Eindruck, auf dessen Grundlage erst ein echtes Verständnis für die Einmaligkeit dieser geglückten Aussöhnung erwachsen kann.

Von Freunden angeregt, entstand der Plan, jene geschichtlichen und persönlichen Erfahrungen in einem Orchesterwerk zu verarbeiten. Die Vorstellung reifte heran, fünf Blöcke zu komponieren, die unterschiedliche Stationen jenes wechselvollen Verhältnisses thematisieren.

Der Titel „Symphonie des Malgré-nous“ erinnert an das Schicksal der Elsässer und Lothringer, die im zweiten Weltkrieg gegen ihren Willen auf der Seite der Deutschen kämpfen mussten: Es mahnt an die zerstörerische Gewalt von Kriegen, die in diesem Gebiet zwischen den beiden großen Nationen als doppelt sinnlos empfunden wurden.

Der erste Satz „Dies irae“ zitiert musikalisches Material der Sequenz aus der gregorianischen Totenmesse. Dargestellt werden die Schrecken des Krieges.

Den Opfern und ihren Leiden wird im zweiten Satz „Stèles / Stelen“ ein Memento gesetzt.

Das innehaltende Nachdenken über die Geschichte und der erfolgende Lernprozess führt zu einem historischen Wendepunkt, dem in einem Satz mit dem Titel „Péripétie / Umkehr“ nachgespürt wird.

Die folgenden Sätze wenden sich der Utopie eines friedlichen Zusammenlebens zu. Ausgehend von der Prophezeiung Hesekiels von der „Auferstehung des Fleisches“ und der Vision der Schar der Märtyrer aus der Offenbarung des Johannes, die das Weiterleben ihrer Ideale schildern, erwächst der Versöhnungsgedanke aus den mahnenden Erinnerungen.

Der Schlusssatz singt von der Hoffnung: Der Schlussvers des „Te Deum laudamus“ („In te, Domine, speravi“) dient hier als musikalischer Ausgangspunkt – insbesondere in der Umgestaltung des cantus firmus zu dem 1560 in Straßburg entstandenen Kirchenlied „In dich hab ich gehoffet, Herr“.

Werner Jacob

 

Werner Jacob  |  info@ion-musica-sacra.de